Schwebfliegen

Ich möchte euch hier ein wenig über Schwebfliegen erzählen. Jeder hat sie sicherlich schon mal im eigenen Garten, auf dem Balkon; oder bei einem Spaziergang gesehen. Vielfach werden sie mit Bienen und Wespen verwechselt. Sie belästigen und stechen jedoch niemanden. Im Gegensatz zu manchen anderen Fliegen leben alle einheimischen Arten im Freien und verirren sich nur selten in Wohnungen.


Episyrphus balteatus - Hain-Schwebfliege (Insekt des Jahres 2004)

Systematik
Klasse Insekten (Insecta)
Unterklasse Fluginsekten (Pterygota)
Ordnung Zweiflügler (Diptera)
Unterordnung Fliegen (Brachycera)
Familie Schwebfliegen (Syrphidae)

Sie kommen in etwa 4.500 Arten vor, davon mindestens 800 in Europa und über 450 in Deutschland. Ihre Größe reicht je nach Art von 4 mm bis 20 mm. Schwebfliegen kann man während der gesamten Vegetationsperiode antreffen. Die ersten überwinterten Schwebfliegen besuchen Schneeglöckchen und Huflatich, die letzten fliegen bis starke Nachtfröste die Blütenpracht zum Erlöschen bringen.

Ausgewachsene Schwebfliegen fliegen mit hoher Flügelschlagfrequenz bis zu 300 Hertz (schwirren) und können damit längere Zeit an Ort und Stelle "schweben".




Episyrphus balteatus - Hain-Schwebfliege/Winterschwebfliege

Ihre Nahrung besteht aus Nektar und Pollen.

Scaeva pyrastri - Spaete Grossstirnschwebfliege (Weibchen)

Innerhalb der Familie der Schwebfliegen gibt es eine ganze Reihe verschiedener Arten, entsprechend abwechslungsreich ist auch ihr Aussehen. Wie alle Zweiflügler besitzen sie jedoch nur zwei Flügel, die Hinterflügel sind zu stummeligen Schwingkölbchen (Halteren) umgewandelt. Kennzeichnend für die Schwebfliege ist die Scheinader (Vena spuria) auf den Vorderflügeln.
Die Radialader 4+5 ist ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal innerhalb der Arten. Speziell die Größe der Einbuchtung.


Eristalis intricaria - Hummel-Keilfleckschwebfliege (Weibchen)

Der Körper kann sowohl gedrungen als auch lang und dünn sein, außerdem gibt es behaarte und unbehaarte Arten. Etliche Schwebfliegenarten haben hummel-, wespen- oder bienenähnliche Zeichnungen. Diese Mimikry täuscht den Fressfeinden der Schwebfliegen eine nicht vorhandene Gefährlichkeit vor. Im Gegensatz zu ihren Vorbildern besitzen sie jedoch keinen Stachel.

Die Mundwerkzeuge der Schwebfliegen sind wie bei den meisten Fliegengruppen zu Leckwerkzeugen umgestaltet. Dabei kann der vordere Kopfbereich bei einigen Arten schnauzenartig verlängert sein, etwa bei der Art Rhingia rostrata. So ausgestattet sind Schwebfliegen sowohl in der Lage, flüssige Nahrung wie Nektar aufzunehmen als auch Pollen zu zerbeißen.


Rhingia campestris - Schnauzenschwebfliege

Die Larven der Schwebfliegen zeichnen sich ebenfalls dadurch aus, dass ihr Aussehen stark variiert. So gibt es Arten mit oder ohne Bedornung, mit Stummelbeinen oder einem Atemrohr (Rattenschwanzlarve bei Eristalis tenax), dieses besonders bei Arten, die in sehr feuchter Erde, in Baumsäften oder im Wasser leben.


Eristalis tenax - Scheinbienen-Keilfleckschwebfliege/Mistbiene (Männchen)

Die Partnerfindung verläuft bei den Schwebfliegen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit optisch. Zu diesem Zweck besitzen die Männchen der Tiere vergrößerte Facettenaugen. Diese stürzen sich in einer Art Rüttelflug auf ein ausgemachtes Weibchen und begatten es im Flug. Bei der Kleinen Mistbiene etwa dauert diese Begattung maximal fünf Sekunden. Die Männchen anderer Arten fliegen das Weibchen von einem Sitzplatz aus an, zuweilen gibt es auch regelrechte Luftkämpfe der Männchen um ein Weibchen. Die Männchen der Narzissenfliege (Merodon armipes) und einiger andere Arten besitzen speziell als Klammerbeine ausgebildete Hinterbeine, mit denen sie das Weibchen greifen und festhalten können.


Merodon equestris - Narzissenschwebfliege

Diese Paarungsart gilt allerdings nicht für alle Arten. Hier mal ein anderes Beispiel:

Sphaerophoria scripta - Gemeine Stiftschwebfliege

Die Eiablage erfolgt in der Nähe einer Nahrungsquelle der späteren Larven, die sehr unterschiedlich sein können (siehe oben ). Die Weibchen der Art Eristalis tenax werden beispielsweise vom Geruch von Jauche angezogen, da ihre Larven in stark verschmutzten Pfützen leben. Die Larvenzeit dauert etwa 8 bis 14 Tage, danach verpuppen sich die Larven. Bei Arten mit nur einer Jahresgeneration folgt eine Sommer- oder Winterruhe. Bei Arten mit mehreren Generationen (bis fünf) fehlt eine Sommerpause.

Insgesamt lassen sich die Schwebfliegenlarven in drei ökologische Kategorien einteilen, an die sie jeweils optimal angepasst sind:

1. Die erste Gruppe besteht aus Arten, die sich von Pflanzenresten, Faulschlamm, Detritus und Pflanzensäften ernährt. In dese Gruppe gehören etwa die Larven der Chrysogaster-Arten in feuchte Erde, Rhingia-Arten und die Kleine Mistbiene (Syritta pipiens) im Kot verschiedener Säugetiere (Koprophagie)



Syritta pipiens - Gemeine Keulenschwebfliege (Männchen)

Microdon-, Chrysotoxum-, Mallota-, Ceriana-, Sphiximorpha-, Xylota-, Chalcosyrphus-, Spilomyia- und Ferdinandea-Arten in feuchtem Holzmehl oder -mulm. Die nacktschneckenartigen Microdon-Arten leben im Bereich von Ameisenbauten, werden dort aber nicht attackiert.
Temnostoma vespiforme in selbstge"frästen" Gängen morscher Birkenstämme.
Brachyopa bicolor lebt in Schleimflüssen von Bäumen und Eristalis tenax als Schlamm- und Detritusfresser in sehr feuchter Erde und in Jauchepfützen.


Temnostoma vespiforme - Wespen-Moderholzschwebfliege (Männchen)

2. Die zweite Gruppe umfasst klassische Pflanzenfresser, also Arten, die sich von frischem pflanzlichen Material ernähren. Sie sind häufig Minierer und Pflanzensaftschlürfer. In diese Gruppe gehört etwa die Narzissenfliege (Merodon armipes) und die Fichtenharzfliege (Cheilosia morio).


Cheilosia caerulescens - Erzschwebfliege

3. Die dritte Gruppe umfasst räuberisch lebende Larven.
Darunter die Volucella-Arten, die in Nestern von Hummeln und Wespen leben und hier teilweise von pflanzlichem Abfall und teilweise von ihren "Gastgebern" leben.


Volucella pellucens - Gemeine Waldschwebfliege


Dasysyrphus tricinctus - Breitband-Waldschwebfliege (Weibchen)


Syrphus ribesii - Grosse Schwebfliege (Weibchen)

Die Larven von Parasyrphus nigritarsis fressen die Eier und später auch die Larven spezifischer Blattkäfer. Etwa 100 Arten in Mitteleuropa sind Blattlausjäger und jagen in der Dämmerung nach ihrer Beute, die sie mit den kräftigen Mundwerkzeugen attackieren und aussaugen. Dabei frisst eine Larve bis zu 100 Blattläuse pro Tag

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Schwebfliegenlarve beim Verzehr einer Blattlaus Foto: Tony Pawlik (Biol.-Student/2008, Halle/Saale)


Gleiche Larve nach Verpuppung Foto: Tony Pawlik (Biol.-Student/2008, Halle/Saale)

Entwicklung der Syrphus ribesii von: Kirsten Eta (Norderstedt 2009)

Vielleicht noch ein Wort zu den Unterscheidungsmerkmalen.
Die verschiedenen Arten haben außer der unterschiedlichen Körperform auch verschiedene Zeichnungen auf dem Hinterleib.
Nun gibt es Arten, die über diese Merkmale trotzdem nicht bestimmt werden können. Dann geht es um die Farben der Beine, Fühler pp. bis hin zu den verschiedenen Flügeladerungen.
Soll aber für diesen kleinen Artikel nicht so wichtig sein. Bei der Geschlechtsunterscheidung kann man grob sagen, dass beim Weibchen das Augenpaar weiter voneinander getrennt ist, als beim Männchen. Beispiel:
Im Gegensatz zu dem o.g. Weibchen der Syrphus ribesii, liegen die Augen beim Männchen dicht nebeneinander


Syrphus ribesii - Grosse Schwebfliege (Männchen)

Dieses wird am folgendem Bild vielleicht noch besser erkennbar (unten das Weibchen)

Eupeodes (Metasyrphus) corollae - Gemeine Feldschwebfliege

Beim Bestimmen von Schwebfliegen kann natürlich auch das Gegenteil eintreten. Man glaubt aufgrund der hellen oder dunklen Färbung verschiedene Arten vor sich zu haben, obwohl es die gleiche ist.
Dazu gab es bereits Untersuchungen (Dusek u. Laska 1974). Schwebfliegen, die aus kalt gehaltenen Puppen schlüpfen, sind im allgemeinen dunkler, als bei höheren Temperaturen.

Abschließend noch ein Wort zu den Feinden der Schwebfliegen.
Die bedeutendsten natürlichen Feinde sind die Schlupfwespen (Ichneumonidae), Erzwespen (Chalcidioidea) und Zehrwespen (Proctotrupoidea). Natürlich auch die Vögel, Libellen und Raubfliegen.
Nicht zuletzt der Mensch, der Raubbau an der Natur betreibt.


Pyrophaena rosarum - Schwebfliege als Opfer

Bevorzugte Pflanzen (lt. Kurt Kormann)
Aegopodium podagraria Giersch, Geißfuß
Allium ursinum Bärlauch
Angelica sylvestris Wald- Engelwurz
Caltha palustris Sumpfdotterblume
Cirsium arvense Ackerkratzdistel
Crataegus laevigata Weißdorn
Daucus carota Wilde Möhre
Euphorbia cyparissias Zypressenwolfsmilch
Heracleum sphondylium Wiesenbärenklau
Knautia arvensis Acker- Witwenblume
Ligustrum vulgare Liguster, Rainweide
Mentha longifolia Rossminze
Origanum vulgare Dost
Prunus spinosa Schwarzdorn, Schlehe
Ranunculus repens Kriechender Hahnenfuß
Rubus idaeus Himbeere
Salix caprea Salweide
Tussilago farfara Huflattich

Weiß und Gelb ist dabei dominierend. Die Cheilosia illustrata (Bunte Erzschwebfliege) sucht z.B. fast ausschließlich den Bärenklau auf


Zum Thema Schwebfliegen kann ich u.a. diese beiden Foren empfehlen:
Nafoku (Sabine Jelinek) - Deutsch klick
Diptera-Info (Dr. Paul Beuk) - Englisch klick

Vielen Dank, dass du bis hierhin gelesen hast.
Weitere Fotos, die ich im Garten und Umgebung von Schwebfliegen machen konnte klick

Quellen/Literatur

Dieser Artikel wurde inhaltlich von Dipl. Biologe Klaus Rennwald überarbeitet (Stand: 12.05.2005). Dafür nochmal meinen herzlichen Dank.

http://de.wikipedia.org/wiki/Schwebfliegen
Dr. Olaf Bastian 1994 - Schwebfliegen; Neue Brehm-Bücherei Band 576, Wittenberg
Kurt Kormann 2002 - Schweb- u. Blasenkopffliegen Mitteleuropas, Fauna-Verlag, Nottuln

Dazu noch einen Bericht der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft als PDF-Datei downloaden klick

Rückfragen an: w_rutkies at web.de